Kleidung ist etwas so alltägliches, dass man sich selten Gedanken über die genaue Herstellung und Herkunft macht. Leider. Gestern, am 24. April, jährte sich der Einsturz der Textilfabrik “Rana Plaza” in Bangladesch zum fünften Mal. Über 1000 Menschen sind dabei ums Leben gekommen, unzählige weitere wurden verletzt.
Der Fashion Revolution Day (der als Reaktion auf diese Katastrophe ins Leben gerufen wurde) will aufmerksam machen: Auf die schlechten Arbeitsbedingungen, die Ausbeutung, die Umweltverschmutzung. Was eigentlich dahinter steckt, dass wir unsere Kleidung in so großem Ausmaß und für teilweise echt wenig Geld kaufen können. Jeder ist dazu aufgerufen darüber nachzudenken, woher seine Kleidung kommt, die er trägt und wie sie hergestellt wurde. Kannst du die Frage für dich eigentlich zufriedenstellend beantworten?
Vom Shopping zum Selbernähen
Ich war als Jugendlicher tatsächlich teilweise schon sehr interessiert daran, wie meine Kleidung hergestellt wird. Es war nur einfach super schwierig, faire oder ökologische Kleidung zu kaufen, die auch meinem Klamottengeschmack entsprach. Mamas “Ökö-Kataloge” war nun nicht das, was ich gerne tragen wollte. Daher ging ich, wie alle anderen auch, ganz “normal” zu H&M und Co. Ich achtete einfach darauf, nicht übermäßig viel zu besitzen, meine Kleidung gut zu pflegen und trug teilweise auch viel Second Hand.
Als ich vor sieben Jahren mit dem Selbernähen von Kleidung begann, war mir überhaupt nicht klar, welche Ausmaße das annehmen würde. Die ersten Monate waren viele Experimente dabei, die ich nur kurze Zeit getragen habe. Aber so konnte ich mich ausprobieren und habe viel dazu gelernt. Den Entschluss, aufs Shoppen komplett zu verzichten, habe ich dann Anfang 2015 gefasst. Seitdem kann ich die gekauften Kleidungsstücke tatsächlich an einer Hand abzählen!
Ist Selbernähen tatsächlich so viel besser?
Jein. Zumindest nicht automatisch und von selbst. Aber mit dem Selbernähen erhält man nach und nach eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge. So war es zumindest bei mir. Ich habe mir immer mehr Gedanken über Kleidung, Konsum und Nachhaltigkeit gemacht. Meine Erkenntnisse und meine Meinung zum Thema:
1. Konventionelle Kleidungsherstellung wird nicht mehr unterstützt
Als erstes genau der Punkt, auf der Fashion Revolution Day aufmerksam machen will. Die Nachfrage nach Fast Fashion ist hoch, ich kenne Menschen, die jede Woche ein paar neue Kleidungsstücke kaufen. Ich habe Freundinnen, die mehr als 10x so viele Jeanshosen besitzen, wie ich. Dass ich mich gerne mal von Modeblogs inspirieren lasse, verstärkt dabei die Vorstellung, dass sehr viele Menschen einfach viel zu viel Kleidung konsumieren. Und wer viel kaufen möchte, braucht ein breites, schnell wechselndes Angebot. Das führt dazu, das viele Läden ihre Kollektion nach wenigen Wochen wechseln. Das dies eine Massenproduktion voraussetzt, die günstig und schnell sein soll, muss dann ja irgendwo einen Haken haben. Bekleidungsfirmen lassen ihre Sachen unter hohem Chemikalieneinsatz in Fabriken herstellen, in denen menschenunwürdige Verhältnisse herrschen… Mehr dazu findest du in diesem Artikel des Nachhaltigkeitslexikons. Da fühlt es sich wirklich wie ein guter Beitrag an, diese Industrie nicht mehr zu unterstützen.
2. Weniger Shopping bedeutet bedeutet auch weniger Verpackungsmüll und Plastiktüten
Ich kaufe meine Stoffe zu 90 Prozent im örtlichen Stoffladen und habe immer meine eigenen Taschen dabei. Auf einem normalen durchschnittlichen Shoppingzug fielen immer mehrere Plastiktüten, Etiketten, Seidenpapier (mit dem Schuhe und Handtaschen ausgestopft werden) und weitere Verpackungen an. Online ist es ja sogar noch schlimmer. (Bei Stoffbestellungen leider auch, das stört mich jedes Mal wieder und ist der Grund warum ich möglichst viel vor Ort kaufe.)
3. Mehr nachdenken, ob ich das Kleidungsstück wirklich brauche
Selbernähen funktioniert bei mir nicht zwischen Tür und Angel. Schon gar nicht, wenn es größeres Projekt wie eine Jeans, eine Jacke oder eine Bluse ist. Das heißt, ich überlege mir vorher, ob ich das Kleidungsstück jetzt wirklich brauche und ob der “Aufwand” sich lohnt. Das ist natürlich auch ein längerer Prozess, bis man rausfindet, welche und wie viel Kleidungsstücke man braucht, um sich immer gut angezogen zu fühlen. Aber nach drei Jahren bin ich auf jeden Fall schon sehr nah dran, nur noch oftgetragene Lieblingsstücke zu besitzen :)
4. Mehr Wertschätzung und mehr Pflege
Ich denke, das kann jeder nachvollziehen: Wenn du ein T-Shirt nicht mal eben für 2,99 Euro in die Tasche stecken kannst, sondern mehr als 10 Euro für Stoff ausgibst und dann auch noch mehrere Stunden daran arbeiten musst. Dann behandelt man das selbstgenähte T-Shirt automatisch so gut, dass man möglichst lange Freude daran hat. Und gut gepflegte Kleidung, die länger hält, reduziert auch wieder automatisch Müll.
Wenn du dann doch mal ein Kleidungsstück nicht mehr tragen magst, sollte die Wertschätzung nicht lassen! Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ein T-Shirt doch zum Schrankhüter wird?
- Vielleicht fehlt einfach nur das gewisse Etwas? Ein kleiner Aufnäher, ein neues Bündchen? Eine kleine Veränderung kann einem ungeliebten Teil ganz neues Potenzial geben! :)
- Zu viele Löcher, die sich nicht mehr flicken lassen? Dann verarbeite das T-Shirt doch zu Jerseygarn weiter. So bekommt es ein zweites Leben als kleines Utensilo oder als Badezimmerteppich.
- Wie wäre es mit einer Kleidertauschparty unter Freundinnen oder ein Besuch auf dem Flohmarkt? Wenn deine Sachen noch gut in Form sind, findest du bestimmt jemanden, der es gerne noch trägt.
- Wenn doch nur die Altkleiderspende bleibt: Nimm nicht den nächstbesten Container, sondern nimm dir Zeit, dir einen gemeinnützigen Verein rauszusuchen und dich darüber zu informieren, wie sie mit den Spenden verfahren. In dem Zusammenhang ist auch Jasmins Beitrag über recycelte Wolle lesenswert!
Was ist der nächste Schritt?
Bei einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema bin ich richtig motiviert noch ein bisschen mehr zu tun. Denn alle, die ihre Kleidung auch selber nähen, kennen vermutlich das Problem, dass der Konsum nicht weniger wird, sondern sich nur auf Stoffe und Kurzwaren verlagert.
Das war bei mir zwar nie wirklich der Fall, trotzdem möchte ich einen Schritt weiter gehen und vielleicht auch andere dazu anregen: Soweit wie möglich möchte ich meine Stoffe ab jetzt bio und fair einkaufen. Auf Instagram habe ich gestern bei fashiontamtam den österreichischen Shop biostoffe.at entdeckt, lalillyherzileien gab den Tipp mit truefabrics. Da werde ich auf jeden Fall weiter recherchieren.
Interessiert dich da vielleicht ein ausführlicherer Artikel?
Es geht nicht darum perfekt zu sein und immer nur alles richtig zu machen. Das ist keine Challenge und kein Wettrennen, wer ab morgen die fairste Kleidung trägt.
Es geht um Bewusstsein.
Darum, dass du dir bewusst bist, was dein Konsum bedeutet und was dahinter steckt. Und dann Schritt für Schritt kleine Dinge änderst. Wenn du dir das Nähen nicht zutraust, ist vielleicht das Thema “Fair Fashion” eher deins? Lisa von LaLillyHerzleien hat gestern ein spannendes Buch rezensiert. Caro von Caros Fummeley ist heute in Hannover, wo eine Aktion im Rahmen des Fashion Revolution Days stattfindet. Davon berichtet sie morgen auf ihrem Blog, ich bin sehr gespannt auf den Artikel.
Jeder kann seinen Beitrag leisten.
Welches ist deiner?