Vor zwei Wochen schrieb ich einen sehr ausführlichen Beitrag zum Konzept “Capsule Wardrobe” und was das mit DIY und Nachhaltigkeit zu tun hat. Heute schließe ich direkt daran an und erzähle von meinem ganz persönlichen Weg: Vom kunterbunt zusammengewürfelten ungeliebten Kleiderschrank zur Garderobe voller Lieblingsstücke.
Ich war noch nie ein Mensch, der regelmäßig beim Shoppen übertrieben hat und Unmengen an Klamotten besaß. Auch als Jugendliche nicht. Ich lief selten großen Trends hinterher und hatte auch keine Ahnung, was mir gut stand. Manchmal probierte ich verschiedene Stilelemente aus, traute mich aber nie so richtig aus meiner Komfortzone. Ich hatte was zum Anziehen und das war okay für mich. Das änderte sich tatsächlich bis zum Studium nicht. Ich war einfach kein Modemädchen.
Als ich dann wieder mit dem Nähen begann – ich glaube ich war 22 oder 23 Jahre alt – merkte ich nach und nach, dass ich auf meine genähten Teile zwar stolz war, aber sie trotzdem nicht wirklich trug. Sie waren irgendwie nicht so alltagstauglich, wie erwünscht. Sie lagen lange im Schrank, bis ich sie ganz vergaß. Die Freude über ein genähtes Kleidungsstück wurde immer kleiner, sodass ich eher wieder auf Taschen, Topflappen und andere Kleinigkeiten umstieg.
Es ließ mich aber nie wirklich los, das Klamotten nähen. Ich fand einfach den Gedanken gut, etwas selbst zu machen. Etwas eigenes zu erschaffen, nicht auf die Industrie angewiesen zu sein und dabei natürlich auch Geld zu sparen. Ich wusste jedoch nicht so richtig, wie ich das anstellen sollte.
Der Startschuss: Ein Blogprojekt zum Thema
2015 – ich glaube, es war Februar – ging dann eine Minimalismuswelle durch viele Blogs, die ich zu der Zeit las. Alle wollten plötzlich ausmisten und umsortieren und eine reduzierte vernetze Garderobe erstellen. Ein Phänomen, das wohl ursprünglich aus dem Fashionbereich kommt, war auch auf die Nähblogger übergeschwappt. Auch ich war sofort angefixt: Ich mochte den Gedanken sofort, mich endlich mal mit meinem Stil auseinander zu setzen und heraus zu finden, was ich wirklich tragen kann und möchte. Endlich mal eine Übersicht haben, wirklich alles gerne anziehen, was im Schrank hängt. Und wenn ich ein bestimmtes Kleidungsstück haben möchte, nähe ich es einfach selbst. Und zwar so, dass es sich nahtlos einfügt und mit allen vorhandenen Teilen problemlos kombinieren lässt. So war zumindest der Plan.
Ich nahm meinen gesamten Kleiderschrank auseinander und sortierte ihn nach Farben. Wochenlang schaute ich auf diese Häufchen auf dem Wohnzimmerboden und hoffte, zu einer Erkenntnis zu gelangen. Es waren viele verschiedene Farben und ich konnte gar nicht sagen, ob ich eine davon lieber trug als eine andere. Mit den Online-Suchergebnissen von “Welche Farben stehen mir” und “Farbberatung” kam ich irgendwie auch nicht weiter, sodass ich irgendwann aus dem Bauch heraus entschied, welche Farben ich behalten möchte. Zwei dunkle warme Farben für Herbst/Winter und zwei pastellige kalte Farben für Frühling/Sommer. Und dazu Basics in schwarz, weiß, grau und dunkelblau. (Kleiner Spoiler: Mein Bauchgefühl hat mich nicht betrogen. Ich trage diese Farben nun im fünften Jahr und mag sie immer noch sehr gern!)
Ich bestellte mehrmals haufenweise Stoffe in meinen ausgewählten Farben und nähte im Jahr 2015 einige Kleidungsstücke, die ich dann tatsächlich auch trug. Täglich! Einige wenige dieser Teile hängen sogar immer noch im Schrank: ein schlichtes rotes Jerseykleid und einen Sweatpulli im selben Farbton (welcher sich mittlerweile an den Nähten leider auflöst). Außerdem das graue Fledermausshirt, ein Sommerkleid und mein erstes Kimono Tee. Noch älter ist nur das gelbe Jerseykleid. Vieles andere habe ich dagegen nach Monaten oder Jahren wieder aussortiert. Erst tat ich mich sehr schwer damit, aber es nützt ja nichts: Was ich nicht trage, nimmt ja nur Platz im Schrank weg und gibt dieses “Schrank-voll-und-nichts-zum-Anziehen”-Gefühl. Und es half auch zu erkennen, was ich eben nicht gerne trage. Das meiste wurde an Freunde und Familie verschenkt, der Rest ging dann in die Altkleidersammlung. Aber immerhin: Ich befand mich auf dem Weg!
Ein Experiment, ohne am Ziel anzukommen?
2016 und 2017 lief das Experiment dann weiter. Ich entdeckte nach und nach, was ich gerne im Alltag trug. Im Winter waren das z.B. schlichte Jerseykleider mit bunten Wollstumpfhosen oder enge Jeanshosen mit weiten Hoodies oder Strickpullis. Für den Sommer entdeckte ich unter anderem kurze Shorts wieder für mich, dazu ärmellose Flatterblusen und schlichte kastenförmige T-Shirts. Ich nähte insgesamt etwas weniger, dafür aber mit noch mehr Überlegungen als vorher. Ich wollte meinem Ziel, nur noch Lieblingsstücke zu nähen, noch ein Stück näher kommen. Und das Konzept ging auf.
Als Lieblingsstücke hebe ich hier nochmal meine Lederjacke (2016) und mein Maxikleid (2017) hervor. Die genähten Kleidungsstücke aus dieser Zeit sind zu 95% noch vorhanden und werden definitiv gern getragen. Und die wenigen Ausnahmen, bei denen ich mich dann doch irrte, zeigen nur: Das Konzept “Capsule Wardrobe” ist ein Weg, unter Umständen ein sehr weiter Weg. Da ist es völlig normal, auch mal falsch abzubiegen, um zu merken, welche Abzweigung mich meinem Ziel wirklich näher bringt. Je mehr ich mich mit Mode und Stilrichtungen beschäftigte, desto größer wurde auch mein Interesse und die Lust am Ausprobieren. Dabei kam mir dann schon so langsam der Gedanke, dass der Weg vielleicht für immer ein Weg bleibt und es gar kein fest definiertes erreichbares Ziel gibt…
2018 war dann ein Jahr, in dem ich mich vom Nähen ein wenig entfernte. Das irritierte mich selbst ein wenig, da es doch eins meiner liebsten Hobbys war. Doch nachdem ich mich mehrmals dazu “zwang”, doch mal wieder was zu nähen, merkte ich: Ich nähe gerade nicht, weil ich keinen bestimmten Bedarf habe. Ich brauchte einfach nichts neues zum Anziehen. Und deshalb nähte ich nichts. Entspannende Erkenntnis! Wobei “nichts” natürlich nicht stimmt. 2018 entstanden unter anderem ja mein Wintermantel und mein Brautkleid. Und wenige andere Kleinigkeiten. Ich nähte z.B. eine High-Waist-Mom-Jeans und ein schlichtes kurzes Oberteil mit Spitzenärmeln. Zwei heiß geliebte und gern getragene Teile, ich freu mich schon, wenn es wieder warm genug dafür ist!
Auch 2019, das erst wenige Monate alt ist, hat schon ein Kleidungsstück hervorgebracht. Ich liebäugelte schon länger mit einer blumigen Blousonjacke und schaute mich nebenbei nach einem passenden Stoff um. Es war von Anfang bis Ende ein sehr gemütliches und auch sehr erfüllendes Projekt. Wann ich jetzt aber das nächste Kleidungsstück nähen werde, weiß ich noch nicht.
Die Erkenntnis: Ich habe alles, was ich brauche.
Denn die Erkenntis blieb: Ich bin irgendwie an einem Punkt angekommen, an dem ich sagen kann, dass ich eigentlich nichts Neues im Kleiderschrank brauche. Zumindest für die aktuelle Wintersaison kann ich gerade sagen: Ich habe alles, was ich gern haben würde. Und das war irgendwie schon ein komisches, aber auch sehr zufriedenstellendes Gefühl.
Insgesamt hat es also ziemlich genau vier Jahre gedauert. Mein Kleiderschrank ist übersichtlich, ich besitze ca. 45 Teile pro Saison, wobei ich davon bestimmt 10-15 Teile das ganze Jahr über trage und ca 30 Teile zum Saisonwechsel austausche. Ich beschränke mich auf wenige Farben, die mir stehen und die sich untereinander gut kombinieren lassen. Bin ich also im Ziel?
Ganz ehrlich? Am einfachsten wäre es, wenn ich einfach “ja” sagen könnte und auf ein nettes Projekt zurückblicken und dieses nun abschließen könnte. Ich merke aber, dass sich ein Gedanke über die Jahre bei mir gefestigt hat: “Capsule Wardobe” ist für mich kein zeitlich begrenztes Projekt, sondern ein Konzept, dass mich ein Leben lang begleiten könnte. Wenn ich mich denn weiterhin drauf einlassen möchte. Der Wunsch nach Klarheit im Kleiderschrank hat mich zu einem kleinen Mode-Liebhaber gemacht. Ich weiß, was ich an Mode mag und werde sicherlich immer wieder das eine oder andere neue Teil nähen wollen. Aber das ist dann eben sehr viel überlegter und muss einfach zu allem vielem passen. Es ist ein sehr (ent)spannendes Gefühl, mit dem ich mich sehr wohl fühle. Ich bin angekommen, auf meinem Weg zu meinem perfekten Kleiderschrank. Zumindest für den Moment. :)
Und was ist nun mein Fazit?
Rückblickend bin ich super froh und glücklich darüber, dass ich mich diesem Thema aus einer Laune heraus angenommen habe. Zwischendurch (gerade im ersten Jahr) hatte ich häufig das Gefühl, dass die Idee irrsinnig ist und ich doch einfach wieder anziehen sollte, was ich will, ohne darüber nachzudenken. Es kam mir widersprüchlich vor, Klamotten einfach wegzugeben, obwohl man sie noch anziehen könnte. Und es dauerte gefühlt sehr lang, bis sich dieselben Gedanken plötzlich als richtig und genau auf Konzept passend erwiesen. Denn eigentlich kann ich erst jetzt einfach etwas anziehen, ohne nachzudenken. Ohne die Klamotten, die man zwar noch anziehen konnte, aber die ich ja eh nicht getragen habe. Aus welchen Gründen auch immer.
Das Ich aus 2019 würde meinem Ich aus 2015 sicher gern den einen oder anderen Tipp geben. Hilfestellungen geben, was ich vielleicht besser anders hätte angehen sollen. Ich bin zwar genau dort angekommen, wo ich hin wollte, aber der Weg dahin hätte an der einen oder anderen Stelle bestimmt leichter sein können.
Deshalb wird es demnächst noch einen dritten und letzten Beitrag zum Thema “Capsule Wardrobe” geben. Einen, in dem ich meine Erfahrungen zu genau diesen Tipps und Hilfestellungen zusammenfasse, die ich gern selbst gehabt hätte. Dass man ganz kleine Schritte gehen kann, ohne sich unter Druck zu setzen. Ich hoffe, dass ich damit vielleicht dem einen oder anderen einen Anstoß geben kann, das Konzept “Capsule Wardrobe” zu seinem eigenen zu machen! :)
Wenn du noch Fragen, Ideen oder Anregungen dazu hast, schreib mit gerne einen Kommentar!